Wege durch das Lager

Der junge Mönch wandte sich an Tobar.
"Der Lagerkommandant scheint schon jetzt eine Menge um die Ohren zu haben, nicht wahr?"
Sie standen nun vor dem Zelt. Es lagen einige Heuballen herum, die als Sitzegelegenheiten dienten. Eine Hand voll Schreiber saß über dem Papier gebeugt, eifrig Nachrichten niederschreibend. Das Wetter war klar und sonnig, Vogelstimmen drangen bis auf die Lichtung auf der das Lager errichtet worden war.
Sein Gegenüber wirkte gestärkt, wenn er auch immernoch nach Alkohol roch. Eine Unterhaltung konnte man ihm wohl zumuten, zumal er an der frischen Luft schnell wieder zu Kräften kommen würde.

"Es ist beinahe beschämend in einem Lager zu nächtigen ohne einen groben Überblick über dessen Lageristen zu haben. Welche Gruppen ziehen denn ständig mit dem Grauen Lager umher, welche haben sich dem Heerzug bereits angeschlossen und welche werden noch erwartet?"

Ihm war klar, dass es selbst Tobar unmöglich alle Gruppen des Lagers aufzählen konnte, daher schränkte er im Folgenden seine Frage auf die Größten und Wichtigsten Gruppen ein.

"Ich selbst war Teil des Grauen Lagers auf dem Feldzug nach Siegelstadt im letzten Jahr und hatte die Gelegenheit einige Bekanntschaften zu machen. In diesem Jahr würde es mich freuen - noch mehr über das Graue Lager an sich zu erfahren."

Valentin nickte.
"Nun, wenn das so ist scheint mein Besuch doch noch etwas früh, was?"

Er hatte darauf gehofft, dass sich bereits zahlreiche Krieger dem Zug angeschlossen hättten, weil dies bedeutet hätte, dass auch bereits einige Heiler darunter gewesen wären. Er überlegte einen Moment. Gab es Gruppen Alchemisten, die er nach Kräutervorkommen hätte befragen können? Wohl kaum. Alchemisten waren ein Haufen von Eigenbrödlern, die wie er festgestellt hatte bloß selten ihr Wissen freiwillig teilen wollten.

"Gab es in den letzten Wochen irgendwelche Auffälligkeiten? Irgendwelche Krankheiten oder gar Epedimien die sich im Lager ausgebreitet haben?"
Nicht eben selten war dies der Fall, wenn viele Menschen aus unterschiedlichen Regionen aufeinander stießen.
"Gibt es vielleicht bereits eine Hand voll Heiler, die sich um die medizinische Versorgung im Lager kümmern?"
Er machte sich wenig Hoffnung darauf. Heiler waren meist in erster Hinsicht höheren Gesellschaften verpflichtet und kamen mit den Herren, nicht mit dem Tross der vorgeschickt wurde.

"Wer steht derzeit den Wachen vor und wer ist dafür verantwortlich zu machen, dass die Pestkontrollen ausgesetzt wurden?"

Er brachte äußerst wenig Verständnis auf für solche Nachlässigkeiten. Auch verstand er in keinster Weise, wie Lageristen die Kontrollen als lästig empfinden konnten, dienten sie doch dem Schutz des Lagers.

Alle Etikette vergessend kratzte sich Tobar nachdenklich am Kopf. Verstohlen linzte er in Richtung Lagerrand um nach möglicherweise vorhandenen Patrullien ausschau zu halten.

"Ääääh - Wächter? Bestimmt wird das Lager von irgendwelchen Soldnern bewacht, welche sich dadurch ein paar Kupfer verdienen wollen. Und da wir uns bisher ja noch auf relativ sicherem Gebiet befanden, hielten wir es nicht für notwendig eine Pestkontrolle durchzuführen."

Mit solchen Dingen beschäftigte sich der Diplomat sonst eher weniger.

"Und Krankheiten? - Zwar sind alle ein wenig geschwächt, aber dies kann man durch die Abwesenheit Terras erklären. Auch werden die Leute häufiger krank, was dem gleichen Grund entspringen könnte, aber sie haben nichts ungewöhnliches. Erkältungen dind wegen der feuchten und immer noch empfindlich kalten Nächte an der Tagesordnung."

"Kräuter?" Tobars Wissen darüber und sein Bekanntenkreis an Kräuterkundigen war äußerst beschränkt. "Ich könnte schwören gestern Dudu gesehen zu haben. Die kennt sich mit so etwas aus. Allerdings kann ich euch nicht sagen, ob sie noch hier verweilt, oder nur auf der Durchreise war. Und vielleicht könntet ihr euch noch an einen Mar der Ulu-Mulus wenden. Allerdings muss man befürchten, dass er aufgrund gewisser Ereignisse letzte Nacht noch - ähm - indisponiert ist."

Valentin nickte und konnte ein leises Seuftzen nicht unterdrücken. Sein Besuch schien weniger erfolgreich zu werden, als erhofft. Zu allererst war Malglin mehr als beschäftigt und dann war die Zahl der Lageristen wesentlich kleiner als erwartet.
Sie gingen in gemäßigtem Tempo durch die kleine Zeltstadt. Überall herrschte geschäftiges Treiben, wobei man versuchte der prallen Sonne möglichst aus dem Weg zu gehen. Wo sie auch hielten um nach dem Rechten zu sehen begrüßte man sie freundlich.
Schließlich wandte er sich wieder an Tobar.

"Ihr habt einen Sitz im Lagerrat inne, nicht wahr? Erzählt mir doch von eurer Arbeit im letzten Jahr, sofern ihr dazu befugt seid, versteht sich."

Tobar musste schmunzeln.

"Ihr überschätzt meine Macht, junger Freund. Ich bin lediglich ein Diener unserer gemeinsamen Sache und kein Anführer. Ich nahm zwar an den Sitzungen teil aber meine Stimme durfte ich nicht erheben. Meine Aufgaben waren die Administration, die Ausführung der Beschlüsse des Rates und die allgemeine Organisation im Lager. Mit dem Kommandanten und dem Schreiberstab zusammen versuchten wir so viele Informatioen wie möglich zu sammeln und die anderen bei ihren Aufgaben zu unterstützen. Auch versuchten wir eine einheitliche Lagerpolitik nach außen hin zu vertreten und durch Pakte und Absprachen für die Sicherheit des Lagers zu sorgen."

Er nicke einem vorbeieilenden Krieger mit lagem Ziegenbart und Lederrüstung zu.

"Und da ich offen zu euch reden kann muss ich gestehen, dass unsere Arbeit hätte erfolgreicher sein können. Leider hat sich nur eine Minderheit der Gruppen an den Sitzungen beteiligt, wodurch unsere Möglichkeiten stark eingeschränkt wurden. Ich lege große Hoffnung, dass durch unsere Erfolge und unsere Arbeit innerhalb des Vergangenen Jahres sich dieser Zustand ändert."

"Nachdem sich die Heiler letztes jahr etwas unglücklich über die Organisatin des Lagers zeigten, bin ich sehr erleichtert, wieder das Lazarett in underem Lager zu wissen. Ich hatte schon die Befürchtung, dass sie in ein anderes lager ziehen würden. Was ar eigentlich eure Aufgabe auf den letzten Feldzug?"

"Ich entdeckte das Lazarett für mich und meine Dienste wurden dort dankbar angenommen. Die andauernden Wellen veschiedenster Pestilenzarten lies uns Heiler beinahe verzweifeln und trieb gewiss viele von uns an den Rand des Wahnsinns. - Doch, was wäre das für eine Belagerung ohne die helfenden Hände des Rings der Heiler und des Lazarettes im Grauen Lager?
Wie mir scheint wisst ihr die Arbeit der Heilkundigen zu schätzen und gehört nicht zu den Kritikern, die die Pestkontrollen als lästige Nichtigkeit empfinden...

Im letzten Jahr bot ich sowohl Malglin meine Dienste als Schreiberling als auch Jäger als Bote an. Doch meine Hauptaufgabe bestand wohl darin die Pestilenz zu bekämpfen und den Verwundeten in der Schlacht beizustehen."

Valentin überlegte einen Moment lang. Ihr Spaziergang durch das Lager hatte sich von einem beabsichtigten Besuch zu einem freundlichen Gespräch gewandelt, ein netter Wandel, wie er festellte.
"Unsere Arbeit hätte erfolgreicher sein können" Die Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf und bestärkten ihn in seinem Vorhaben.
Der Diplomat erschien ihm nicht bloß als ein angenehmer Zeitgenosse, sondern auch als vertrauenswürdig, zumal er im letzten Jahr an den maßgeblichen Sitzungen Einblick genommen hatte. Nach kurzem Zögern entschloss er sich, sich Toabr anzuvertrauen.

"... Mein Kommen hat noch einen weiteren, ganz persönlichen Grund." Was konnte es schon schaden eine unabhängige Meinung anzuhören, bevor er sich an den Lagerkommandanten Malglin richtete? "... zwar wurde ich ausgeschickt um Malglin die Aufwartung des Lazaretts zu machen und das Lager zu prüfen, doch - wollte ich die Gelegenheit nutzen um noch etwas Anderes zur Sprache zu bringen..."

Ob den plötzlichen Verstummens des Boten, war Tobar etwas verwirrt. Einen Moment zögerte er, versonnen die Landschaft und die geschäftigen Handwerker beobachtend.

"Was brennt euch auf der Seele?" fragte er mit einem freundlichen Lächeln.

"Ich werde mich in diesem Jahr um einen Sitz im Lagerrat bemühen.", kam es kurz und bündig aus dem in grau gekleideten Mann.
Prüfend suchte er Tobars Züge nach irgendeiner Regung ab.

"Was meint ihr dazu? Seht ihr mich als würdigen Kandidaten?"

ein breites Lächeln zeigte sich auf Tobars Gesicht, als dies hörte.

"Ich freue mich über jeden, der dieses Lager mit gestalten möchte. Wollt ihr als ständige vertretung des Lazaretts teilnehmen? Ich hatte letztes jahr das Gefühl, dass die Doktores undn Heiler alle eigentlich etwas viel besseres zu tun hätten, als am Rat teilzunehmen. Oder wollt ihr auch auf einen der Freien Plätze bewerben? Auch dem sollte nichts im Wege stehen solange ihr treu der gemeinsamen Sache dient."

"Ich pflege intensiven Umgang mit einigen Gruppen. Daher fühle ich mich sowohl dem Lazarett, uns somit dem Ring der Heiler, als auch meinem eigenen Protektoriat, Exilia, verpflichtet. Demnach werde ich mich wohl auf einen der ständigen Sitze im Lagerrat bewerben, die schließlich sowohl den im Vorhinein aktiven als auch größten Gruppen den Lagers vorbehalten sind. Ich hoffe damit dem Lager und dem Lande Mitrasperas gute Dienste erweisen zu können."

Sie waren nun an einer Biegung angekommen, der sie zwangsweise zurück ins Lager zu dem Zentralen Verwaltungszelt folgen mussten, sofern sie nicht vorhatten das Lager zu verlassen. Valentin zögerte nicht und wählte den Weg zurück. Ihm war klar, dass er seine Absichten dem Lagerkommandanten so schnell wie irgend möglich vorlegen sollte.

Die beiden mussten sich an den Wegrans stellen, um einen Trupp Handwerker mit Material und Werkzeug vorbeieilen zu lassen. Dann mahm Tobar das Gespräch wieder auf.

"Ich sehe nichts, was dagegen spräche euch in den Rat aufzunehmen. Und wenn ihr mir die Frage gestattet: Was sind eure Ziele für das Neutrale Lager? Exilia und Serlfiran hatten bisher manchmal konträre Ansichten. Was sind eure persönlichen? Als Diplomat liegt es in meinem Interesse, wohin sich das Lager entwickelt und in ich welche Richtung ich arbeiten soll."

"Ihr habt Recht ... eine politische Grätsche zwischen den Ansichten Exilias und Selfiran hinzubekommen wird mir nicht ganz einfach fallen. Doch sehe ich mich selbst in der Verantwortung für das Wohl Mitrasperas im Neutralen Lager zu agieren, auch wenn das heißt nicht bloßes Sprachrohr mehrerer Parteien zu sein.
Es hat sicherlich seine Gründe, dass mir sowohl das Vertrauen vom Ring als auch von den Exilanten entgegengebracht werden, unabhängig davon was ich bin oder woher ich komme."

Seine Züge entspannten sich und er lächelte, wobei sein rastloser Blick weiterhin unruhig sein Gegenüber und die Umgebung durchstreiften.

"Ihr entschuldigt mich? Ich danke Euch herzlichst für das Gespräch und hoffe zeitnah auf ein Wiedersehen. Möge der Segen aller Elemente und das wachsame Auge des Eynen stets Euer Begleiter sein."

Mit diesen Worten verabschiedete er sich von dem Diplomaten und machte sich auf den Weg durch die wachsende Zeltstadt in Richtung Teezelt.

Auf der Suche nach dem Lagergeist ging er ziellos durch das Lager und suchte nach irgendjemandem der wie ein Geist aussah. Eine genauere Beschreibung hatte er nicht.

"Ob ich nicht lieber jemanden Fragen sollte, der sich hier besser auskennt als ich?"

Dann machte er sich auf dem Weg irgendjemanden zu finden der ihm half den Geist zu finden.